Uniper: Was soll nur aus dem Staatskonzern werden? (2023)

Uniper Was soll nur aus dem Staatskonzern werden?

von Florian Güßgen

Uniper: Was soll nur aus dem Staatskonzern werden? (1)

Energiekonzern mit vielen Perspektiven, aber noch keiner Strategie: Uniper

Bild: imago images

2022 war für den Gasimporteur Uniper ein Horrorjahr. Jetzt hat Uniper neue Chefs, noch immer keine Strategie – und neue Anteilseigner mit ganz eigenen Begehrlichkeiten.

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Anfangdieser Woche sitzt Holger Kreetz auf einer Bühne im Essener Hotel „Atlantic“. Seit ein paar Wochen ist Kreetz Unipers neuer Chief Operating Officer (COO). „Wenn man schnell dekarbonisieren will“, sagt Kreetz, „gibt eskeine Alternative zu Wasserstoff.“ Dabei sei eindeutig:Ob der Wasserstoff nun in Form von Ammoniak oder auf andere Weiseaus den „Super Cheap Renewable Areas"dieser Welt herbeigeschafft werde – Deutschland und Europa seienin Zukunft in jedem Fallvon Importen „massiv abhängig“.

Und werhier Lösungen anbieten will, ist auchunmissverständlich. Uniper, natürlich.Es ist Kreetz'Versuch, die Bedeutung des Unternehmens zu unterstreichen– und damit eine Daseinsberechtigung für den Konzernin der neuen Welt der Energieversorgung zu schaffen. Nicht weniger ist schließlich die erste und wohl größte Aufgabe des neuen Vorstands des Konzerns mit seinen 7000 Angestellten. Uniper will bei der Wasserstoffversorgung Deutschlandseine wichtige Rolle spielen.

Seit Dezember gehört der Konzern zu 99Prozent dem Staat, bald ist auch die neue Führungsmannschaft vollständig. Nicht nur Kreetz ist neu im Job, sondern auch Finanzvorständin Jutta Dönges, der neue Chef Michael Lewis fängt im Juli an – und im August kommt Carsten Poppinga als Chief Commercial Officer (CCO) dazu.

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Doch so klar die Personalien sind, so unklar ist weiterhin,wo der Vorstand, die Bundesregierung und vor allem das Finanzministerium, das für diese Staatsbeteiligung verantwortlich ist, mit Uniperhinwollen. Doch spätestens bis Ende des Jahres, so sehen es Vorgaben der EU-Kommission vor, muss klar sein, mit welchem Konzept Uniper in den nächsten Jahren wieder kapitalmarktfähig und eigenständig werden soll – und der Staat seinen Anteil auf 25 Prozent plus 1 Aktie zurückführen kann. „Dazu werden wir in den nächsten Monaten unsere Vorstellungen einbringen“, sagt Interims-Chefin Dönges laut ihrem vorab veröffentlichten Redetext auf der Hauptversammlung, die an diesem Mittwoch ist. Die Neuen stehen also unter erheblichem Druck, Uniper auch neu zu erfinden.

Nötig wird das, weil Uniper 2022, wie der gerade geschiedene Ex-Chef Klaus-Dieter Maubach es nannte, ein „Horrorjahr“ erlebt hat. Wie kein anderer Konzern stand Uniper für die unheilvolle Verquickung der deutschen Energiewirtschaft mit ihren russischen Gaslieferanten. Als die Verbindung zerbrach,brach auch Uniper ein – und mit dem Konzern waren fast 500 Stadtwerke und ebenso viele Industriebetriebe bedroht, die mit Uniper Lieferverträge hatten.

2022 hatte Uniper Gas-Lieferverträge mit einem Volumen von 356 Terawattstunden im Portfolio, 254 Terawattstunden davon stammten aus Russland.

Uniper mit Verlusten von mehr als 200 Millionen Euro am Tag

Ab Ende August 2022, als Wladimir Putin seine Gaslieferungen komplett einstellte, musste Uniper das seinen Kunden versprochene Gas plötzlich zu einem vielfach höheren Preis an den Spotmärkten einkaufen– und fuhr atemberaubende Verluste ein, an manchen Tagen mehr als 200 Millionen Euro. Das Geschäftsjahr schloss Uniper deshalb mit einem Minus von knapp 11 Milliarden Euro beim operativen Ergebnis ab. Normalerweise verschwindet ein Unternehmen in so einer Lage vom Markt.

Aber das ging nicht. Pleitegehen lassen konnte die Bundesregierung Uniper nicht, weil dann hunderte Stadtwerke in Not geraten wären. Der Düsseldorfer Konzern war systemrelevant, too big to fail.Deshalb beschloss die Bundesregierung im Herbst, Uniper von dem bisherigen Mehrheitseigner Fortum, einem Konzern, der mehrheitlich im Besitz des finnischen Staates ist, zu übernehmen – mit einer Kapitalerhöhung von 8 Milliarden Euro sowie genehmigtem Kapital in Höhe von weiteren 25 Milliarden Euro. Von diesem genehmigten Kapital sind, das sagt Dönges laut Redetext, bereits 5,5 Milliarden Euro genutzt worden.

Wie viele Milliarden deutsche Steuerzahler genau am Ende werden zuschießen müssen, ist allerdings offen. Denn wider Erwarten sorgten die zuletzt stark gesunkenen Gaspreise dafür, dass Unipers Verluste geringer ausfielen als befürchtet. Im ersten Quartal 2023 konnte Uniper sogar ein bereinigtes Ebit in Höhe von 749 Millionen Euro vermelden – nach einem Minus von 917 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum.

Holt sich Markus Söder die Wasserkraftwerke?

Uniper handelt über sein Segment „Globaler Handel“ nicht nur mit Strom und Gas, ist nicht nur Deutschlands größter Betreiber vonErdgasspeichern, sondern erzeugt im Segment „Europäische Stromerzeugung“ auch Strom mit einem Kraftwerkspark, zu dem Wasserkraftwerke (3,56 Gigawatt Kapazität), aber auch Gas- und Kohlekraftwerke gehören (insgesamt 17,56 Gigawatt), in Schweden sogar Kernkraftwerke (1,4 Gigawatt). Um die Übernahme durch den Bund zu genehmigen, hat die EU-Kommission Auflagen erlassen. Dazu gehört etwa, dass Uniper sich von dem hochmodernen Kohlekraftwerk Datteln 2 trennt, aber auch von einigen Geschäftsbereichen, etwa dem Handel mit Schiffstreibstoff.

Offen bleibt trotz all dieser Aktivitätendie Frage,wo genau Uniper künftig seinen Schwerpunkt setzen will, um wieder eigenständig zu werden. Die Antwort ist nicht einfach, auch weiles zumindest in manchen Bereichen durchaus Überschneidungen zwischen Uniper und dem zweiten großen, verstaatlichten Gasimporteur, der Securing Energy for Europe (Sefe) gibt. Die hieß bis ins vergangene Jahr Gazprom Germania, importiert ebenfallsGas und betreibt Speicher, dazu Leitungsinfrastruktur, zur Hälfte etwa ist Sefe am Fernleitungsnetzbetreiber Cascade beteiligt.

Zumindest Teile seines Kraftwerksparks wird Uniper in jedem Fall abgeben müssen, schon weil es die EU-Kommission so will. Neben Datteln 4 muss der Konzern auchdie russische Tochter Unipro mit fünf Gas- und Kohlekraftwerken verkaufen. Ein Käufer ist bereits gefunden, die Genehmigung der russischen Behörden steht aber noch aus. Ende April hat die russische Regierung Unipro unter staatliche Verwaltung gestellt – durchaus als Reaktion auf die Verstaatlichung der Gazprom Germania durch die Bundesregierung.

Umstrittener ist die Zukunft von Uniper in der Wasserkraft.So liebäugelt nicht nur der wahlkämpfende bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) damit, Unipers Wasserkraftwerke, etwa das am Walchensee, dem Freistaat einzuverleiben, wenn das Unternehmen doch ohnehin dem Staat gehört. Selbst die bayerischen Grünen sehen das ähnlich. Gleichzeitig könnten aber genau diese Wasserkraftwerke zentrale Bestandteile einer grünen Renaissance Unipers sein.

Hohe Glaubwürdigkeitbei Erneuerbaren Energien

Immerhin hatUniper es geschafft, sich durch seine Beteiligung am Aufbau des LNG-Importterminals in Wilhelmshaven in ein positives Licht zu tauchen. Holger Kreetz spielte eine zentrale Rolle, als es darum ging, die viel beschworene „neue Deutschlandgeschwindigkeit zu erreichen“. Mittlerweile lande in Wilhelmshaven alle acht Tage ein LNG-Tanker mit rund 160.000 Kubikmeter Flüssiggas an, sagt Dönges in ihrer Rede. Über die Importe in Wilhelmshaven ließen sich etwa sechs Prozent des deutschen Gasbedarfs decken.

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Als Beitrag zum Übergang in eine grüne Energiewelt ist das kein unerheblicher Beitrag. Um auch danach eine Rolle spielen zu können, muss der Konzern selbst in irgendeiner Form grün sein. Dafür steht auch Michael Lewis, der neue Chef. Der gilt auch als Spezialist für Erneuerbare Energien und Ökostrom. Wie sehr der Ingenieur mit diesen Vorkenntnissen die Strategie Unipers prägen kann, muss er in den nächsten Monaten beweisen.

Lesen Sie hier, was sich der Uniper-Aufsichtsrat von dem neuen Chef Michael Lewis erhofft.

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Author: Stevie Stamm

Last Updated: 06/06/2023

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